Über 80 % aller deutschen Startups planen eine Internationalisierung. Doch wie erschließt man erfolgreich neue Märkte? Was sind die Herausforderungen für Startups, die schnell international wachsen möchten? Welche Hürden und lokale Besonderheiten sind zu beachten?
Schritt 1: Vom Beginn an auf Skalierbarkeit achten
Die Idee für Holidu kam den Brüdern Johannes und Michael Siebers, als sie auf der Suche nach einem Ferienhaus für ihren Surfurlaub in Portugal waren. Sie stellten fest, dass ein und dieselbe Unterkunft auf vielen verschiedenen Online-Portalen zu finden war – und zwar zu völlig unterschiedlichen Preisen. Der erste Gedanke war, eine Internetseite für Surfhäuser in Portugal aufzubauen, doch schnell wurde ihnen klar, dass sich dieses Konzept mit der richtigen Technologie auch weltweit und für viele Unterkunftsarten skalieren lässt.
Entscheidend für eine funktionierende Suchmaschine ist es, identische Angebote auf unterschiedlichen Internetseiten zu erkennen und die Preise zu vergleichen. Im Gegensatz zum Flug- oder Hotelmarkt gibt es im Ferienhausmarkt allerdings keine einheitlichen Identifikationsnummern, die diesen Vergleich einfach machen. Der Durchbruch kam durch die von Michael entwickelte Bilderkennungstechnologie, die ein blitzschnelles Matching von Millionen Ferienhäusern ermöglicht. Diese Technologie brachte den beiden ein Exist-Stipendium ein und ebnete den Weg für eine spätere Internationalisierung.
Schritt 2: Dort anfangen, wo man sich auskennt
Holidu wurde in München gegründet und es lag auf der Hand, mit der Suchmaschine zuerst in Deutschland aktiv zu werden. Die Deutschen lieben Reisen und Ferienhäuser, weshalb der Ferienhausmarkt hierzulande der drittgrößte der Welt ist. Außerdem konnten wir uns im eigenen Land einfacher in die Vorlieben und Gewohnheiten der Zielgruppe hineindenken. Auch die Partnerakquise ist in der Muttersprache einfacher und das Netzwerk am stärksten. Der Heimvorteil kann helfen, am Anfang schnelle Erfolge zu erzielen, mit denen man die Erfolgsaussichten einer späteren Internationalisierung belegen kann.
Schritt 3: Im Voraus denken – und auch handeln
Im Juli 2014 war es dann soweit: Die erste Domain www.holidu.de wurde gelauncht und im September konnten wir eine erste Seed-Finanzierung abschließen. Holidu wurde daraufhin in verschiedenen Startup-Medien vorgestellt und die Gründer sprachen damals bereits über die geplante Internationalisierung. Leider führte das dazu, dass findige Domain-Sammler wenige Stunden nach der Berichterstattung alle noch verfügbaren Holidu-Domains reservierten. Diese mussten wir uns im Anschluss mühsam und auch nicht ganz kostenlos zurückerobern. Unser Learning: Nicht nur im Voraus denken, sondern auch rechtzeitig handeln!
Schritt 4: Sorgfältig die Blaupause für die Internationalisierung erstellen
Für uns als Suchmaschine für Ferienhäuser mit Angeboten auf der ganzen Welt war klar, dass eine weitreichende Internationalisierung große Skalen- und Netzwerkeffekte mit sich bringt. Es war uns aber wichtig, den Schritt in den ersten ausländischen Markt sehr sorgfältig vorzubereiten und stabile Prozesse zu erarbeiten, um später immer wieder diesem Muster folgen zu können.
So haben wir schon beim Launch der ersten fremdsprachigen Domain holidu.fr im Oktober 2015 eine Softwarelösung etabliert, mit der unsere Internetseite von Muttersprachlern auf verschiedene Sprachvarianten angepasst werden kann, ohne dass dafür Entwickler-Ressourcen gebraucht werden. Außerdem haben wir alle wichtigen Schritte – beispielsweise zum Aufbau des Marketings – sorgfältig dokumentiert und soweit möglich automatisiert.
Es war ein Vorteil, dass wir die erste Internationalisierung in enger Abstimmung im damals noch sehr kleinen Gründungsteam durchgeführt haben und wir so die Ansätze direkt interdisziplinär feinschleifen konnten. Später konnten jeweilige „Country Manager“ dann nach dieser Blaupause ohne Probleme neue Märkte innerhalb einer Woche launchen.
Schritt 5: Schnell expandieren und investieren, wo es sich lohnt
Sobald wir die ersten Länder vorsichtig und erfolgreich gelauncht hatten, haben wir den Schalter umgelegt und Holidu innerhalb kurzer Zeit auf 21 Domains ausgeweitet. Da jede neue Domain mit nur geringem Aufwand verbunden ist, konnten wir unsere Abschätzung aus der Marktanalyse problemlos um wichtige erste Ergebnisse aus dem Go-Live ergänzen und so feststellen, in welchen Märkten es sich besonders lohnt zu investieren. In Brasilien waren wir auf diese Weise die erste aktive Suchmaschine für Ferienhäuser und konnten dort schnell großes Wachstum erzielen.
Schritt 6: An lokale Bedürfnisse anpassen
Für unsere Hauptmärkte haben wir sukzessive Teams von Muttersprachlern aufgebaut, die sich intensiv mit dem Marketing, Customer Service und der regionalen Partnerakquise beschäftigen. Wir haben gelernt, dass man nur mit örtlicher Expertise in vollem Maße die Bedürfnisse erkennen, den richtigen Ton treffen und Beziehungen aufbauen kann. Jeder Markt tickt anders, und so ist beispielsweise für Italiener „Agritourismo”“(eine Art „Urlaub auf dem Bauernhof“) eine der beliebtesten Urlaubsformen und wir mussten hierfür erst durch Anschluss lokaler Agenturen das entsprechende Angebot aufbauen. In Brasilien ist die Suche mit dem Smartphone noch verbreiteter als bei uns, weshalb wir schon kurz nach dem Launch unsere App zur Verfügung gestellt haben. Der enge Draht zu den Märkten ist auch wichtig, um immer up-to-date bei den unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu bleiben und schnell reagieren zu können, bspw. durch Integration von Lizenznummern nach entsprechender Gesetzgebung auf Mallorca.
Simon von Hertzberg ist seit 2015 Chief Operating Officer bei Holidu, der Suchmaschine für Ferienhäuser. Er verantwortet die Bereiche Personal, Inbound Marketing und Internationalisierung. Zuvor war er in verschieden Funktionen bei Procter & Gamble tätig.